Gespräch mit Thomas vom Seniorenbüro Ost „Inge & Walter“

Wie ward ihr als Mitarbeiter*innen von der Schließung betroffen?

Es begann damit, dass im März zunächst das Sonntagscafè abgesagt und dann das Seniorenbüro geschlossen wurde. Meine Kolleginnen und ich sind dann teilweise ins Home-Office gegangen, das bedeutete aber nicht weniger Arbeit als vorher. Wir haben Konzepte entwickelt und realisiert, um unsere Besucher irgendwie aufzufangen. Viele von ihnen leben allein und die Treffen geben ihnen eine feste Tagesstruktur, die nun fehlte. Wir haben dann jene, die regelmäßig im Seniorenbüro sind, einfach angerufen. Mit vielen von ihnen entstanden sehr bewegende Gespräche zustande, zunächst über Alltägliches, dann über ihre Situation. Manche begannen dann, aus ihrem Leben zu erzählen. Bei manchen kamen Erinnerungen an die Kriegszeit hoch.

Wir hatten das Gefühl, dass sich viele unsere Besucher häufig emotional sehr geöffnet haben. Zudem haben wir eine große Dankbarkeit für alles erlebt. Wir haben einmal mehr gespürt, wie wichtig dieses zwischenmenschlichen Begegnungen sind, und sei es am Telefonhörer. Außerdem haben wir einen Telefonring gegründet, um Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, auch diejenigen, die sich kaum oder gar nicht kennen. Das wurde von einigen sehr gern angenommen, andere taten sich eher schwer damit, mit wenig vertrauten Menschen zu telefonieren. Ein Telefonat, das mir sehr in Erinnerung geblieben ist, war das mit einem Mann, dessen Katze in jener schwierigen Zeit gestorben war. Außerdem haben wir mit jungen Menschen, mit denen wir vorher schon in Projekten zusammengearbeitet hatten, Einkaufshilfen organisiert.

Symbol der Lebensfreude: die liebevoll gestaltete Samentütchen zum Mitnehmen

Und meine Kolleginnen hatten noch eine besondere Idee: Da keine direkten Kontakte möglich waren, haben wir Samentütchen gebastelt und an unserer Tafel zum Mitnehmen angebracht. Für Menschen, die sich selber oder anderen eine Freude bereiten möchten. Auch als Symbol dafür, dass das Leben weiter geht, so wie ein Samenkorn, das wir in die Erde stecken und das sich zu einem Pflänzchen entwickelt.

Hattest Du während deiner Home Office-Zeit auch in Deinem Umfeld besondere Begegnungen?

Ich bin viel öfter als sonst mit mir fremden Menschen ins Gespräch gekommen. So zum Beispiel, wenn ich an der Straßenbahnhaltestelle vorbeikam. Oder im Aufzug, als mich eine ältere Frau ansprach, mit der ich bislang nur einen freundlichen Gruß getauscht hatte. Es war so ein Bedürfnis vorhanden, miteinander zu sprechen, sich auszutauschen, wie sich die Situation bei dem einen und bei dem anderen anfühlt. Mir schien auch, dass ich Kontakte viel intensiver wahrgenommen habe. Etwa wenn ich an Bürotagen an der Tafel stand, um sie neu zu bemalen und Menschen stehen blieben. Schon kleine Gesten sagten viel, hatte ich den Eindruck. Ein Besucher des Seniorenbüros, der mich stehen sah, kaufte mir sogar in einem benachbarten Restaurant Mittagessen. Das hat mich berührt. Einfach so. Manchmal klopften Besucher des Seniorenbüros, wenn sie einen von uns dort sahen, an die Scheibe, als wollten sie uns sagen: Haltet auch ihr durch. Wir sehen uns wieder. Das waren hochemotionale Momente.

Wie ging es nach der Quarantäne weiter? Unter welchen Voraussetzungen finden heute Veranstaltungen und Begegnungen statt?

Ende Mai erhielten wir die Info, dass wieder geöffnet werden kann. Rasch haben wir ein Hygiene-Konzept für Veranstaltungen entwickelt. Zunächst haben wir um die Pfingstzeit allen einen langen Brief und eine Karte gesandt. Zum Beginn gab es aber noch keine der vertrauten Veranstaltungen, sondern wir waren einfach da zum „Quatschen“, um uns erst einmal gegenseitig aufzufangen und wieder anzukommen. Für viele waren das sehr berührende Momente der Begegnung – mit Abstand nach außen hin, aber ganz viel Nähe zwischen den Herzen. Inzwischen sind viele Veranstaltungen wieder möglich – natürlich mit Augenmaß hinsichtlich der Hygieneregeln, um niemanden zu gefährden, aber trotzdem mit vielen wunderbaren Möglichkeiten. So haben wir beispielsweise das begehrte Speed Dating – unsere Gesprächsrunden, um neue Freunde kennenzulernen – an zwei Terminen angeboten, mit jeweils fünf Frauen und fünf Männern statt zehn. Und beide Male gleichermaßen liebevoll. Wenn man nur will, lassen sich immer Möglichkeiten finden.

Unter Corona Auflagen konnte das beliebte Speeddating nach dem ersten Lockdown wieder angeboten werden.