Bea

Die Relevanz der Familie in der Erinnerung

Ich habe die Collage erstmalig direkt während der Phase des Lockdowns mit folgendem Text in den sozialen Netzwerken veröffentlicht: „Seit der Krise denke ich oft an meine Mutter – sie ist von allen unbemerkt vor ein paar Jahren in ihrer Wohnung verstorben. Ich frage mich, ob die Sorge um sie, die der Risikogruppe angehört hätte, uns näher gebracht hätte, ob wir öfter telefoniert hätten, die Isolation mich veranlasst hätte, zu fragen: „Wie geht es dir?“ Damals war ich so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass es mir nicht auffiel.

Die Relevanz der Familie in der Erinnerung

24 cm x 30 cm
Collage aus Archivmaterial im Objektrahmen, 2020

Die Fotocollage besteht aus Bildern, die in der Wohnung meiner Eltern entstanden sind, nachdem ich ausgezogen war. Mein Vater trennte sich von meiner Mutter, meine Oma starb kurz nach der Wende, ob mein Vater noch lebt, weiß ich nicht – der Kontakt ist komplett abgebrochen. Die Leerstellen in der Collage aus Amateurfotografien, die im Wohnzimmer zu Familienfeiern aufgenommen worden sind, assoziieren Einsamkeit – ein allgegenwärtiges Gefühl in der Isolation – und gemahnen an den in der Pandemie nicht mehr so einfach zu verdrängenden Tod. Dass die bürgerlichen Annehmlichkeiten und konservativen Werte dadurch auch infrage gestellt, vermittelt das zerschnittene Bild eines Hochzeitspaares – meine Eltern.

Aus der Serie: Die Relevanz
der Familie in der Erinnerung

10, 5 cm x 15 cm
Collage aus Archivmaterial, 2020

Ein Ausblick: Die Krise hat Raum und Zeit für die Reflektion der eigenen familiären Bindungen zugelassen. Sie könnte Anlass sein, bestehende Beziehungen besser zu pflegen, sich mehr Zeit zu nehmen und die Endlichkeit des eigenen Daseins und das der Eltern, Großeltern bewusster wahrzunehmen. In einer die Menschen immer mehr von sich selbst und anderen entfremdenden neoliberalen Weltordnung kann eine Erfahrung wie die Isolation helfen, seine wahren Bedürfnisse wieder zu spüren. Infolge dessen wird vielleicht der solidarische Gedanke dauerhaft gestärkt und ein sozialeres Miteinander begünstigt, als es vor der Krise der Fall war.

Ohne Titel (Solidarität)
41 cm x 29,5 cm
Fineliner/ Marker

Im Leipziger Osten, wo ich seit 2016 lebe, habe ich in der Krise Solidarität in verschiedener Weise wahrgenommen: in Aktionen und Transparenten für die Geflüchteten auf Lesbos, in der Organisation von Einkaufshilfen für vulnerable Gruppen und in Sharing Projekten. Dennoch stieß das soziale Engagement für die Vergessenen nicht überall auf breite Zustimmung. Oft bestimmten Ängste um das persönliche Wohlergehen und den eigenen Wohlstand das Denken und Handeln – dazu setzt sich die Zeichnung ins Verhältnis.